Der Begriff der "Intensität" kristallisierte sich im 18. Jahrhundert - parallel und innerlich ergänzend zum in mancher Hinsicht ähnlichen Begriff der Ästhetik - heraus. Er erfasst eine neue Qualität menschlicher Wechselwirkung mit der Welt, mit anderen Menschen und sich selbst, die weniger auf äußere Dinge und Mengen als die Erfüllung der tieferen Sehnsüchte der menschlichen Seele achtet. Im Folgenden eine kleine Auswahl von Gedanken derjenigen, die sich seitdem intensiver damit befassten:

 

"Es gibt eine neue Dimension der Wirklichkeit, und ich suche nach einem Weg sie zu erfassen. Der alte, eindimensionale Standpunkt ist zu starr. … Wichtig ist weder Subjektivität noch Objektivität, sondern Beweglichkeit, Lebendigkeit, ihre Wechselbeziehung und die Wechselbeziehung zu anderen. … Ich schreibe über das Leben in den Momenten seiner größten Intensität, denn dann wird sein Sinn am stärksten erkennbar. Ich schreibe fortwährend in der Stimmung, von der gesagt wird, sie entstünde, wenn wir den Augenblick unseres Todes kennen würden: die Intensivierung unserer Erinnerung. … Es ermöglicht eine Gewöhnung an Aufrichtigkeit, Spontanität, Enthusiasmus, Natürlichkeit … Träume gehen in Wirklichkeit des Handelns ein. Aus dem Handeln entstehen wieder Träume; es ist die gegenseitige Abhängigkeit, die die höchste Form des Lebens hervorbringt. … Ich benutze die Sprache der Gefühle und der Sinne, die sich von der des Intellekts unterscheidet. … Ich arbeite mit plötzlicher Intuition, fortschreitendem Erkennen. Durch einen ausgewählten Augenblick wird weit mehr enthüllt als durch ein großes Gebäude aus Einzelheiten. … Was der Dichter zu sagen hat, ist so leicht wie Schnee, aber so mächtig wie die Sintflut. Wird die Kraft der Gefühle die großen Betonstädte von morgen mit dem lebensnotwendigen Wasser versorgen? … Durch Leidenschaft und Vertrauen muss der Mensch wieder zu einer Einheit werden. Unser Vertrauen hat sich von etwas, das außerhalb unsers Ichs liegt, zum Innenich hin verschoben. … “ (Anais Nin um 1960 in: Tagebücher)

 

„Sobald wir hier (in dieser heutigen Welt) anfangen zu sprechen, befinden wir uns in der Repräsentation, der Wissenschaft und Theologie. Die Mauern dieses Schlosses sind Museumsmauern. Das bedeutet beispielsweise Ausschluss der Gefühle, Priveligierung, Exterritorialität der Begriffe, Aufsparen von Intensitäten, ihr Verstummen … Eine andere Figur zieht herauf, die Libido nimmt ihre Besetzungen aus dem kapitalistischen Dispositiv zurück, das Begehren ordnet sich anders an, formwidrig, in einer Figur, die sich in tausenden von Vorschlägen und Versuchen, verstreut über die ganze Welt, verästelt … Durch eine Vervielfältigung wandelbarer Prinzipien, durch die Annulierung reglementierender Kodes, führt uns der Kapitalismus nahe an diese Grenze heran, doch nur, um uns sogleich der anderen Seite zuzuordnen … Seine Transformation kann nur von einer noch flüssigeren Verflüssigung, von noch mehr clinamen und noch weniger Geradenfall, von noch mehr Tanz und noch weniger Frömmigkeit kommen. Wir brauchen noch unvorhersehbarere, noch stärkere Intensitätswechsel.  … Wer weiß, wann das neue Dispositiv mit seinen unbekannten, durchsichtigen Organen die Oberfläche unseres und des sozialen Körpers hinwegfegt und sie von jeglicher Interessenpolitik und der Sorge zu sparen, auszugeben und zu rechnen befreien wird? … Es ist notwendig, dass sich die Höhen und Tiefen der Wunschproduktion „im sozialen Leben“ einschreiben können, ohne Ziel, ohne Rechtfertigung, ohne Ursprung, wie in den starken Zeiten des „affektiven“ oder „kreativen“ Lebens …“ (Jean-Francois Lyotard in seinem 1978 erschienenen Buch „Intensitäten“)

Bild von HP Jansen
Bild von HP Jansen

 

„Wenn wir uns nicht entschließen, das Entsetzende zu wagen, die Systeme mit ihren kategorialen Fixierungen als unausreichend zu bezeichnen, werden wir uns der neuen Weltwirklichkeit nicht nähern können. ... Solange sie nicht ausdrückbar sind, können sie auch nicht wirkend bewusst werden. Mit anderen Worten: wir sind gezwungen, eine neue Aussageform zu finden. … Ein neuer Ton, eine neue Form, eine neue Sicht wird … dort wahrnehmbar werden, wo wir heute nur Schrei und  Dissonanz zu hören glauben… Jeder von uns ist heute, ein jeder auf seine Weise und gleichgültig wo er sich befinde, nicht nur Zeuge, sondern wir alle sind auch Werkzeuge dessen, was Wirklichkeit wird. Deshalb ist es nötig, dass wir uns die Mittel erarbeiten, mit deren Hilfe wir diese neue Wirklichkeit auch von uns aus mitgestalten können. … Die Grundkraft, das Thema der neuen kulturellen Mutation, muss bewusst werden. ... Es ist ein neues Thema und damit eine neue Aufgabe. Seine Realisierung durch uns bringt eine gänzlich neue Weltwirklichkeit mit sich: eine neue Intensität und ein befreiteres Gewahrwerden …  Eine Kraft, eine Intensität lässt sich durch das bloße Denken deshalb nicht bewusst machen, weil das Denken nur das räumliche Nacheinander kennt. Aber die neue Kraft des Geistes, um die es sich hier handelt, ist achronisch. ...“  (Jean Gebser um 1950 in: Ursprung und Gegenwart, Band II, Die neue Mutation; und:  Bewusstwerdung der Zeitfreiheit)

 

"Will ich bewusst leben, will ich intensiv leben, kann ich das nur, wenn ich aus meiner Tiefe heraus lebe. Dann ist meine Seele beteiligt. Essen, Sex, Spiritualität, Erfolg und Entspannung gehören zu unserem Leben. Für sich alleine genommen, ohne Bezug zu unserer Seele, können sie unsere tiefsten Wünsche und Sehnsüchte nicht stillen." (Wunibald Müller in: Was ist die Seele ?, München 2011)